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Der Lockdown der Pandemie in 2020 öffnete uns die Augen, welch noch unentdecktes Felspotential in unsere Heimat, den Berchtesgadener Alpen schlummert. Die Enttäuschung über eine abgesagte Alaska Expedition wurde schnell von der Euphorie abgelöst, eine neue Route an einer der schwierigsten Wänden der Alpen, zu klettern.
Die Erstbegehung
Gemeinsam mit meinem Partner Luka aus Slowenien war schnell klar, in welchem Stil wir der steilen, fast 400m hohen Wand begegnen würden. Entdeckt hatte Luka diese nahezu durchgehende Risslinie während seinen Versuchen an der legendäre Huberbuam Route „The end of silence“.
Das jener Wandteil häufig naß blieb, würde erst später zur Herausforderung werden. Während der Erstbegehung forderten wir unsere Moral Seillänge für Seillänge, denn unsere Route sollte den benachbarten Linien am steilen Pfeiler in nichts nachstehen und im ähnlichen Stil angegangen werden. So viel Respekt muss sein. Fordernd aber für Kletterer mit sehr viel Erfahrung vernünftig abzusichern.
Nach 4 Tagen in der Wand war das Werk vollbracht, wir waren sehr zufrieden über solche eine gigantische und völlig eigenständige Route vor der Haustüre. Wir kamen mit insgesamt 17 Zwischenbohrhaken auf 350m Wandhöhe aus, jedoch zahlreiche Risse ermöglichten mobile Sicherungen.
Das Eheversprechen
Versöhnt mit der Situation der eingeschränkten Reisefreiheit und glücklich darüber, daß wir uns als kletterndes Paar gefunden hatten, gaben wir uns im gleichen Sommer unter den Felsen der Reiteralm das „Ja“ Wort.
Als Luka zeitnah auch die vorletzte aller Seillängen frei durchsteigen konnte, schoben sich ein paar schattenspendende Wolken durchs Saalachtal. Und da war der Name geboren, wir schwebten auf „Wolke 7“.
Mir gab er neben dem Eheversprechen auch das Versprechen, mich auf dem Weg zur freien Begehung zu begleiten. Doch der Sommer blieb unbeständig und die Route trocknete nicht ab, was besonders in der schwierigsten Seillänge, der schattigen überhängenden Rissverschneidung zum Problem für mich wurde. Frustration stellte sich ein.
Versuche
Im Sommer 2021 stellte ich mich der Aufgabe erneut und verbrachte einige Tage oben an der Reiteralm, doch die Wand trocknete wiederholt nicht ab. Immer wieder scheiterte ich an der 5. Seillänge, konnte keine Lösung finden. Nah dran, aufzugeben wurde es Winter und der Traum blieb. Ich hatte gehofft, ich würde mich damit abfinden, doch vergebens. Es fühlte sich unvollendet an, die endgültige Zufriedenheit über diese Route blieb bei mir vorerst aus. Ich stellte das Unternehmen auf Eis, ohne konkrete Pläne, zurückzukehren.
2022 erlebten wir dann den Jahrhundertsommer, doch von meiner körperlichen Fitness war ich zunächst weit entfernt. Luka erinnerte mich in Abständen daran, es wieder zu probieren und so verbrachte ich intensive 2 Wochen, in denen ich alle anderen Verpflichtungen zur Siete schob, ausschliesslich in unserer Route, meistens alleine aber auch in Begleitung von Luka oder meinem Sohn Emanuel.
Der Durchstieg
Am 14. August wusste ich immer noch nicht genau, wie ich die schwierigste Länge klettern würde. Doch es schien vorerst der letzte Tag vor dem angekündigten Regen zu sein. Aus Erfahrung wusste ich, daß es meine letzte Chance sein sollte, denn im Spätsommer würden die Felsen kaum noch abtrocknen. Doch würde ich den moralischen Ansprüchen dieser Route gewachsen sein?
Wir standen früh morgens am Einstieg, es war kaum mehr als ein Versuch geplant, die komplette Route im Vorstieg frei und sturzfrei zu klettern. Dieser Umstand beruhigte meine Nerven und ich fühlte mich frei im Kopf, alles zu geben.
Wenig später stieg ich in die 5. Seillänge ein, improvisierte und kämpfte unter Luka’s Anfeuerung, meine Unterarme fühlten sich kurz vor dem Zerreissen an. Plötzlich hatte ich die Schlüsselstelle hinter mir und den Standplatz erreicht. Erstmals waren alle Griffe und Tritte trocken. Ich jubelte, aber im gleichen Moment wurde mir deutlich, daß noch ein langer Weg vor mir lag.
Vorerst lief alles nach Plan, bis zu jenem strukturlosen Wandabschnitt, den ich für den tatsächlich Schwierigsten der gesamten Route hielt. Ein für mich extrem weiter Zug. Ich scheiterte, stürzte ins Seil. Die Sonne schob sich ums Eck und meine Finger begannen zu schwitzen, die haut wurde dünn. Für einen Moment verlor ich den Glauben an mich.
Zurück am Standplatz nahm mich mein Mann in die Arme, beseitigte letzte Zweifel und riet zur Pause, bis sich eine Wolke (Danke, Wolke 7) vor die Sonne schieben würde. Ich konnte später einen zusätzlichen, kaum sichtbaren Griff halten und schaffte es, ganz knapp. Nun war es nur noch eine Fleißaufgabe, es zu Ende zu bringen. Das 7c Dach weiter oben würde ich auch mit wenigen Kraftreserven klettern können.
Und so erfüllte sich am Nachmittag des 14. August ein Traum. Ich stand auf dem Gipfel des Feuerhörndl´s und hatte die ‚Wolke 7‘ in freier Kletterei durchstiegen. In unendliche Dankbarkeit für Lukas Unterstützung und über die endlosen Bergabenteuer in meiner Heimat Berchtesgaden blicke ich nun zufrieden hinauf zu den steilen Abbrüchen der Reiteralm.
Fakten
Informationen
Erstbegehung: Luka Lindič und Ines Papert im Juni 2020
Routename: Wolke 7
Ort: Reiteralm, Hinteres Feuerhörndl
Schwierigkeit/Länge: 8a, 12 Seillängen, 380m
Absicherung: 17 Zwischenbohrhaken, zahlreiche belassene Normalhaken auf 350 m Wandhöhe und perfekt eingerichtete Standplätze.
Material: 1 Satz Camalots #0.2 - #3, 10-12 Expressschlingen
Abstieg: übers Wartsteinband